Novelle - Neuauflage


Die Neuauflage von "Mir bleibt immer noch Havanna" erscheint unter dem Titel "Meine Freundin, der Zeitgeist und ich" und wird herausgegeben von Vito von Eichborn, der auch das Vorwort geschrieben hat:


Meine Buchhändlerin sagte mir,
„ja“, sagte sie …


Ja, eine Liebesgeschichte von jungen Leuten, das hört sich gut an. Aber nur, wenn sie liebenswürdig ist, literarisch gekonnt, also nicht aus Klischees besteht wie fast alles in diesem Genre Zeitgeistroman.“
„Aber ja, dieser Roman, vielleicht besser, die Novelle, ist rundherum gekonnt. Ergreifend, voller Liebe und Tränen und dennoch ohne Kitsch, sehr melancholisch, voller Zweifel und voller Gefühle des Protagonisten …“
„Also, wer ist das überhaupt ? Und wie geht der Plot ?“, unterbrach
mich meine Buchhändlerin, wie sie das immer tut.
„Der Ich-Erzähler ist Jens, 27jähriger Student, Kunst und Philosophie im 14. Semester. Er ist innerlich völlig zerrissen, seit er seine geliebte Florence beim Fremdgehen mit einem Mädchen ertappte. Er streunt durch die Straßen und Kneipen in Köln, zweifelt an der ganzen Welt rundum, versinkt in seinem narzisstischen Liebeskummer. Und er weiß: ‚Man kann nur hassen, was man liebt.‘ Und: ‚Ich habe keine Zwänge. Ich bin so frei,dass es schon weh tut.‘
Er lästert über das Imponiergehabe von unbeleckten Vollidioten rundum, kultiviert das Dagegen-Sein und hasst seine eigene Selbstgefälligkeit.“ „Gibt es denn außer all der Gefühle und Gedanken auch so etwas wie Action, Spannung, äußere Handlung ?“, wollte meine Buchhändlerin wissen.
„Meine klassische Frage an jedes Buch ist bekanntlich: ‚Liest es mich ?‘. Das kann ich nur rundheraus mit Ja beantworten, der Text entwickelt richtig Sog, ja, fesselnde Spannung. In Köln lernt Jens ein obdachloses Mädchen kennen, die Aussteigerin Jacqueline, die sich tief gegen die bürgerliche Welt Meine Freundin, der Zeitgeist und Ich · Meine Buchhändlerin sagte mir, … 6 und deren vorgebliche Vernunft wehrt. Sie war noch nie richtig glücklich und meint einmal: ‚Ich möchte sterben, wenn ich glücklich bin.‘ Sie fahren zusammen nach Paris, und immer ist Florence nicht nur in seinem Inneren dabei, sondern er trägt einen Pappkarton
mit ihren Liebesbriefen mit sich, aus denen Jacqueline ihm vorliest. Und wenn er mit ihr schläft, denkt er an Florence. Sie fahren nach Köln zurück, dann gemeinsam zu seinen freigeistigen Eltern. Dort findet er einen Brief von Florence; der und Jacqueline überzeugen ihn, dass er zu ihr zurückkehrt. Und, ja, ihre Liebe ist tief und lebendig. Zu dritt fahren sie nach Havanna …“
Meine Buchhändlerin hörte mir sichtlich nicht zu. Sie hatte mir das Buch aus der Hand genommen, las hier und da, wie so Leseprofis das machen. Nun meinte sie: „Ja, sprachlich ist das offensichtlich schön. Es ist einfach, aber nicht banal. Ich finde viele kurze schöne Sätze. Nun also bitte: Wie geht die Geschichte aus ?“
„Als sie alle drei auf Kuba herumfahren und zusammen richtig glücklich sind, nimmt Jacqueline unbemerkt im bunten Käfer auf dem Rücksitz Schlaftabletten. Die Beerdigung in Deutschland ist grauenhaft.
Florence geht wieder an die Uni, sie leben in München, und Jens denkt viel nach. Es gilt für ihn der Satz: ‚Ich glaube an die Kunst und an die Liebe.‘ Insgesamt ist dieses Buch in sich sehr stimmig, weil …“
Wieder brach ich ab – denn meine Buchhändlerin war von dannen geeilt. Es hatte an der Eingangstür geklingelt, und für ihre Kunden ließ sie mich immer stehen. Mir bleibt nur, dieser Novelle – die gleichzeitig heutigen Zeitgeist einfängt und etwas schön Altmodisches hat – viele Leser zu wünschen. Sie hat es verdient.

Vito von Eichborn